Neuer Anblick: Die vergessenen Haustüren
In einer der letzten Ausstellungen der Galerie „DenkArt“ konnte man sie besichtigen – Fotos der Betonabgüsse von Haustüren, die der Künstler Ralph Siebenborn zur Verfügung gestellt hatte. Die Fotos zeigen sie noch unversehrt, noch nicht übersprüht mit einem stadtweit verbreiteten „tag“, dessen Urheber leicht zu ermitteln wären.
Es ist, als hätte man die wenigen Überreste verschwundener Gründerzeithäuser noch einmal zerstört. Heute erfreuen sich ja die Eingangstüren vieler sanierter Altbauten sorgfältiger Beachtung. Als diese Betonabgüsse hergestellt wurden, sollten jedoch ganze Straßenzüge im „Rekonstruktionsgebiet Sonnenberg“ Neubauten weichen. Und wer empfand ihn nicht als Fortschritt, den großzügig angelegten, begrünten Boulevard, wer hat sich damals nicht zuerst eine Wohnung mit IWC, Bad und Fernheizung gewünscht?
Man brauchte schon einen besonderen Blick, um der jahrelang vernachlässigten Altbausubstanz noch Erhaltenswertes abzugewinnen. Es waren jedoch verschiedene Künstler und ein Kunstwissenschaftler, die 1980 in einer Konzeption zum „Umgestaltungsgebiet Ost“ anregten, wenigstens Fassaden, Fenster und Türen der Altbauhäuser zu erhalten. In einer späteren Vorlage an den Rat der Stadt wurde daraus der Vorschlag: Bei den „unvermeidlichen“ Abbrucharbeiten anfallenden Materialien wie Fassadenelemente, Klinker, Fundamentsteine, Simse u. a. sollten zentral gesammelt und ihnen – den Künstlern – für „Materialassemblagen“ zur Verfügung gestellt werden.
Freilich kam man 1985 zu dem ernüchternden Schluss: Das Abbruchmaterial sei für eine Assemblage, also „künstlerische Vereinigung verschiedener Objekte“ kaum noch geeignet, weil es viel zu verschlissen wäre – von einer sorgfältigen Bergung konnte wohl keine Rede sein! Daraufhin schlug der Kunsthandwerker Ralph Siebenborn vor, Betonabgüsse einzelner Türen herzustellen, wofür in den Bezirkswerkstätten für Kunst und Restaurierung in der Würzburger Straße die Formen angefertigt werden sollten – Abgüsse, die dann mit Hilfe von Silikon hergestellt wurden.
Der ursprüngliche Gedanke sei damals von den Bezirkswerkstätten selbst ausgegangen, so Siebenborn. „Betonabgüsse reich verzierter Haustüren der Gründerzeit“ sollten an einer Stützwand angebracht werden, zunächst war als Standort der Eingangsbereich Augustusburger Straße/Tschaikowskistraße vorgesehen und als Wiederverwendung die Freifläche gegenüber der Reichsbahnbrücke an der Jakobstraße. Schließlich verständigte man sich auf die neu entstehende Fußgängerzone, wo man auch für die Sonnenuhr als Wahrzeichen des Sonnenbergs den passenden Platz fand.
Zuerst hatte man übrigens darüber nachgedacht, die Sonnenuhr auf dem Theodor-Körner-Platz in Ost-West-Richtung gegenüber der Markuskirche aufzustellen. Ein plastisches Gebilde aus Metall, Stein oder Keramik schwebte den Verfassern der „Künstlerisch- ästhetischen Konzeption“ anfangs vor, dann erwog man, Aluminium oder Edelstahl dafür zu verwenden. Weitsichtig war der Gedanke, sie in einem Kiesbett aufzustellen, wodurch sie nicht so leicht zugänglich wäre.
Die Sonnenuhr in ihrer heutigen, endgültigen Gestalt als Metallplastik verdanken wir dem Formgestalter Peter Schmidt, sie fand ihren passenden Platz an der Sonnenstraße, Ecke Martinstraße. Dass die Wand mit den Türabgüssen wieder ihr schönes Gegenüber bilden könnte, wird angesichts des verbreiteten Vandalismus wohl nur ein Wunsch bleiben.
Stephan Weingart, AG Sonnenberg Geschichte (Januar 2020)
Nicht lange nach dem wehmütigen Schluss des Berichts entstand in der AG “Grüne Ideen Sonnenberg” bei Karola Köpferl die Idee, den Platz mit der Sonnenuhr wieder zu beleben. Gemeinsam mit Stephan Weingart reichte sie den Plan bei dem Wettbewerb” Nimm Platz” im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung ein.
Die Idee wurde angenommen. Und da sich herausstellte, dass zur Sanierung der Uhr extra Fördermittel zur Verfügung standen, reichte das Geld für die Sanierung der Wand.
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